NRW Ticketing Bergkamen


Die Austellung „Flucht in die Zukunft – Science Fiction zwischen Sputnik und Fantasy“ ist unter dem Dach des Museums untergebracht. Gleich am Treppenaufgang werde ich von einer lebensgroßen Darth Vader Figur und einem Werbeplakat für die Sciencefictionserie Perry Rhodan begrüsst. Ich denke mir: echt jetzt?! Mir kommt das platt vor. Ein Blick nach rechts in einen der beiden Ausstellungsräume hinein bestärkt meine Skepsis. Da stehen einfach nur eine Menge Actionfiguren und anderes Fantasyspielzeug in den Vitrinen, zusätzlich ein paar Comics und sogar ein Playstation II Spiel. Ich wende mich besser erst einmal zur anderen Seite. Dort sind andere Dinge hinter Glas verschlossen. Zukunftsromane zum Beispiel, darunter sogar eine Ausgabe von Schätzings „Der Schwarm“, den ich zu Hause immerhin durchblättern kann, statt nur das Cover anzusehen. Auch Zeitungsausschnitte gibt es – Wissenschaftsschlagzeilen aus den letzten Jahren, daneben ein paar ungeöffnete Packungen Astronautennahrung. Das ist insgesamt leider nicht viel. Was es einzig und allein raus reißt ist ein Film, der in Endlosschleife gezeigt wird. Vier Stühle stehen vor einem Fernseher, der einen wilden Zusammenschnitt aus bewegten Bildern, Musik und den röhrenden Off-Sprechern des frühen Fernsehens zeigt. Ich setze mich davor, esse einen Apfel und lasse mich von den Ideen der Vergangenheit bezaubern.


„Eine Postrakete steht kurz vor ihrer Fertigstellung“, schnarrt es aus der Kiste. Jedes Wort wird fachgerecht von den anderen abgehackt, um ihm Bedeutung zu verleihen: „Fünfhundert Kilogramm Post können in wenigen Minuten von Düsseldorf nach Rom geschossen werden!“ Verwaschene Illustrationen einer solchen Briefbombe erscheinen auf der Mattscheibe. Dann wechselt das Geschehen in den Alltag. Ein runder Tisch kommt ins körnige Bild, um den ein paar Männer sitzen. Keiner der Herren verzieht eine Miene, als aus der Mitte der glatten Holzoberfläche ein runder Roboterkopf hochfährt, wie ein Maulwurf, der sich aus seinem Hügel reckt. Er fängt sofort an surrend zu rotieren und gibt in bestechendem Tempo Karten an die Männer aus, um darauf gleich wieder zu verschwinden. Die Szene stellt das dar, als wäre es bald schon das normalste Ding der Welt eine solche Einrichtung im Inneren der meisten Möbel zu haben. Ist ja auch äußerst praktisch für einen Doppelkopfabend, finde ich. Probleme gäbe es höchstens, wenn jemand versehentlich ein Bier auf dem guten Stück abstellt. Als nächstes ist eine Frau unter der Dusche zu sehen – das heißt eine Frau unter der Dusche im Badeanzug. Seltsam an ihr ist, dass sie auf einer Art Luftkissen zu stehen scheint. Sie wankt hin und her, hat keinen festen Stand, scheint dies aber nicht als unangenehm zu empfinden. Nun fängt sie plötzlich an rhythmisch die Füße zu heben und zu senken, wie eine Katze beim Milchtritt. Und erst jetzt kommt ein sehr dünner Wasserstrahl aus dem Duschkopf, den die Frau mit Werbelächeln entgegennimmt. „Fitness und Sauberkeit sind vereint in der selbstangetriebenen Pumpdusche“. Großartig. Vom Bad geht es in die Küche der Zukunft. Die Hausfrau von morgen wählt ihre Rezepte aus einer Kartei von Lochkarten aus, die sie dann in ein Elektronengehirn einfüttert, das die Kochanleitung auf einem Monitor zwischen den Oberschränken anzeigt. In einer weiteren Szene wird das Troisdorfer Kunststoffhaus gezeigt, das bis auf das letzte Einrichtungsstück aus dem „Material des zwanzigsten Jahrhunderts“ besteht. Jede Tasse, jeder Teller ist aus Plastik. Ich frage mich was mit dem Klopapier ist – aus Polyester? Der Film widmet sich auch mit einem Gutteil seiner Länge der Atompropaganda. Amerikanische Spots, die wohl in den fünfzigern oder sechszigern ins deutsche übersetzt wurden flimmern an mir vorbei: Eine hübsche Tänzerin, die eine Glühbirne um ihren Körper wirbelt. „Eve and the atom“. Ein gezeichneter Atompilz erscheint, vergrößert sich wird dann zu einem muskelbepackten weißen Männchen, das auch von Micheline sein könnte. „Ein Reich voll elektrischer Energie“, ertönt, „damit die Evas ihrer Welt ihr Leben genießen können – ein elektrischer Garten Eden!“ Wie genau diese Welt aussehen soll wird sogar näher definiert: Es stehe künftig soviel Energie zur Verfügung, dass nicht nur die Häuser beheizt werden könnten, sondern auch die Straßen. Mehr Heizungen als Gullis solle es in naher Zukunft auf den Bürgersteigen geben. Dann kann man es auch nur mit einem Feigenblatt bekleidet gut draußen aushalten. Die Dokumentation nimmt sich schließlich einigen Innovationen der Fortbewegung an. Immer wieder unterbrochen von einem Stummfilm, in dem eine Frau mit einem Fahrrad in verschiedene Menschen- und Berufsgruppen hineinfährt und jedesmal vor dem Slapstickzorn der Betroffenen flüchten muss, werden Prototypen genialer Verbesserungen der Mobilität gezeigt. Zum Beispiel hat ein kluger Erfinder das Reserverad seines Autos waagerecht in seine Stoßstange eingebaut, sodass vorne nur noch ein Stück herausschaut, das frei drehbar ist. Er demonstriert, untermalt von der seriösen Würdigung eines Kommentators, wie er mit dem Wagen einfach schräg gegen einen Baum fahren kann und von dem drehenden Reifen wieder auf die Straße gelenkt wird. Dann werden nacheinander ein zusammenfaltbares Auto, sowie ein Auto mit ausfahrbahren Querrollen gezeigt, die beide das Einparken in engen Parklücken erleichtern. Jeder braucht so etwas. Zuletzt ist noch ein Auto zu sehen, das durch eine dunkle Halle fährt und diese selbst in rotes Licht taucht: „Diese Glühbirnen, auf der Felge installiert, sind das Geheimnis der von innen beleuchteten Reifen“.